Fachtagung „Zertifizierung von Gartenschauen und urbanen Freianlagen“ – Berlin macht Schule
Den Startschuss zum Verfahrensprozess gab 2015 der IGA-Workshop zur „Zertifizierung von Gartenschauen“, den die Deutsche Bundesgartenschau-Gesellschaft mbH mit der IGA Berlin GmbH angestoßen hatte. Im Sommer 2016 wurde mit der Forschungsgesellschaft Landschaftsentwicklung Landschaftsbau e.V. (FLL) zusätzlich ein Arbeitskreis für das Projekt „Kriterien für nachhaltige Gartenschauen“ gegründet. Markus Gnüchtel, Landschaftsarchitekt und Fachsprecher des bdla e.v erarbeitete daraufhin einen Kriterienkatalog für nachhaltige BUGAs und IGAs.
Jetzt stellten die Verantwortlichen erste Ergebnisse vor, die Professor Dr. Thieme-Hack, Universität Osnabrück/Mitglied im Präsidium der FLL in Berlin moderierte. Christoph Schmidt, Geschäftsführer der IGA Berlin 2017/Grün Berlin GmbH und Jochen Sandner, Geschäftsführer der Deutschen Bundesgartenschau-Gesellschaft mbH (DBG) sowie Markus Gnüchtel erörterten den Zertifizierungsprozess. Rainer Nagel, Vorstandsvorsitzender der Bundesstiftung Baukultur unterstrich in seinem einleitenden Vortrag die Bedeutung von qualifiziertem Grün in Bezug auf die urbane Stadtentwicklung.
In seinem Grußwort dankte Stefan Tidow, Staatssekretär der Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz Berlin, der Grün Berlin GmbH und der IGA für die schnelle und gute Umsetzung der Planung des Projektes: Einer Evaluierung als Auftakt für die Zertifizierung, aus der nun aufbauend ein qualitativ hochwertiges Prüfverfahren entwickelt werden kann. Schon jetzt zeige sich, die IGA ist ein Gewinn. „Das ist aber nur ein Bauchgefühl“, sagte Stefan Tidow, „weshalb es wichtig ist, diese Aussage verlässlich zu belegen.“ Die Zertifizierung wird beweisen: Der Gewinn der IGA ist nicht nur eine Bilanz, sondern entsteht durch langfristige Effekte, zum Beispiel einer Steigerung des Parkstandards allgemein.
Zukunftsentscheidend: eine qualitative Grünplanung
„Wir bauen nicht nur Städte“, meinte Rainer Nagel in seinem Vortrag, „sondern wir befinden uns in einer Phase der Umbaukultur, des Verbesserns und Veränderns. Grün hat eine entscheidende Bedeutung für die Qualifizierung der Städte. Die einst autogerechte Stadt wird zu einer menschengerechten Stadt. Es geht zukünftig um überschaubare, gute Räume. Man muss die Potentiale der Innenentwicklung nutzen.“ Hierzu werden Masterpläne und Strukturkonzepte benötigt. Sie dienen der Aufwertung und Kontrolle des Stadtgrüns. Für die Menschen ist das Grün, sind die Nähe zum Grün und dessen Pflege und Unterhaltung wichtig. Nach Meinung von Rainer Nagel taugt die BUGA als Leitbild der Stadtentwicklung. „Die hier vorliegende Zertifizierung bietet Anhaltspunkte für den Wert von Grün, denn sie erzeugt Aufmerksamkeit, generiert einen Mehrwert und hat eine Bedeutung durch die Herstellung von Querbeziehungen.
Motivation für das Zertifizierungsprojekt
Für die IGA Berlin GmbH bot das Audit und der damit angestoßene Zertifizierungsprozess eine Chance, die Kriterien für einen nachhaltig gestalteten Park als integratives Element einer nachhaltigen Stadtentwicklung zu analysieren. Es wurden Steuerungselemente festgelegt und eine Qualitätssicherung für dessen Zukunft betrieben. Der Prozess fixierte ein Zeit-, Kosten-, Struktur – und Effizienz-Controlling durch Einbindung einer nachhaltigen Strategie und der Einbindung aller Akteure.
Für die DBG war es wichtig, mit der Zertifizierung herauszustellen, das bereits im Vergabeverfahren die Kriterien zur Nachhaltigkeit und Dauernutzung eines Gartenschauparks als wesentliche Bestandteile einer Bewerbung zu berücksichtigen sind. Jochen Sandner erläuterte: “Bisher hat man sich auf Gartenschauen darauf berufen, dass diese durch die Erhaltung der Flächen nach dem Gartenschaujahr per se nachhaltig sind. Ein nachhaltig wirkender Entstehungsprozess wurde bisher nicht erfasst. In der Phase 0 des Projektes kam es immer wieder zu unerfreulichen Entwicklungen, die Diskussionen mit Stakeholdern, Nachbarn etc. auslösten. Prozesse wurden nicht festgehalten, keiner arbeitete an einer Verbesserung der Kommunikationskultur. Mit der Zertifizierung wird der Entstehungsprozess eines Parks nun strukturell optimiert und gut dokumentiert. Eines ist jetzt schon klar: man befasst sich dadurch stärker mit dem Produkt, es ist eine sinnschärfende Tätigkeit und man bekommt ein positives Feedback für seine Arbeit.“
Blaupause für Folgeprojekte
Die IGA Berlin 2017 bietet ein exzellentes Praxisbeispiel zur Zertifizierung zukünftiger Gartenschauen und nachfolgender Parks. Das Verfahren kann aber auch für andere große Grünprojekte genutzt werden. Die DBG wird das Bewertungsverfahren den zukünftigen BUGAs (2019, 2021 und 2013) anbieten. Sandner: „Wir wollen dies mit ihnen gemeinsam nutzen, Formate und Durchführungen zusammen erarbeiten, unser Angebot ist fakultativ. Die Zertifizierung soll BUGAs bei der Zusammenarbeit mit Partnern, Politikern und Medien helfen. Wir zeigen: Wir sind transparent. Der Grün Berlin GmbH dient das Verfahren bereits als Matrix für Folgeprojekte: als nächstes für den Spreepark. Christoph Schmidt: „Großprojekte der Entwicklung von Freiräumen und Parkanlagen folgen ähnlichen Systematiken und Vorgehensweisen. Hier beschränkt sich die Betrachtung nicht nur auf BUGAs und IGAs . Insofern wollen wir versuchen bei den für uns zukünftig anstehenden Vorhaben, wie bei der Entwicklung des 30 ha großen Spreeparks in Berlin , die Zertifizierungsmatrix anzuwenden.“
Eine unabhängige und unter streng fachlicher Expertise angelegte Zertifizierung verbessert überdies auch die Kommunikation gegenüber der Öffentlichkeit und den Stakeholdern. Die Berücksichtigung einer Nachhaltigkeitsstrategie überzeugte 2017 zum Beispiel auch den BUND, Entscheider auf Senatsebene und Kommunalpolitiker, die schon im Kick-off Termin einbezogen wurden. Die IGA hat ihr Prüfverfahren fachlich transparent nachgewiesen und ihr Ziel, es einer objektiven, systematischen, wissenschaftlichen und neutralen Beurteilung durch Fachleute zu unterziehen, erreicht.
Nachhaltige Qualitäten
Welche Eigenschaften der mit der IGA Berlin 2017 entstandenen neuen Freiräume sind nachhaltig? Was macht die Qualität der IGA und des nachfolgenden Kienbergparks aus und wäre übertragbar auf andere Parkformate? Markus Gnüchtel erläuterte die Arbeitsprinzipien: Die Sammlung und Rückführung von Feldinformationen, Best-Practise, Expertenwissen und Erfahrungsrichtwerte sowie die Auswertung der Besucherumfragen der DBG während der Veranstaltung. Er konnte bestätigen: Auf dem IGA-Gelände ist eine betrieblich-ökonomische eigenständige Struktur aufgebaut worden, um Lebenszykluskosten zu erfassen und eine Kostenkontrolle auch nach der IGA zu ermöglichen. Kienberg und Wuhletal bieten Stadtnatur mit hoher Biodiversität. Mit der Sicherung der „Gärten der Welt“ als „Point of Excellence“ beweist der Park einen nachhaltig hohen Pflegestandard und zudem touristische Anziehungskraft. Seine Empfehlung: Die mit der IGA erarbeitete Digitalisierung des Parks würde über eine Parkwebsite für den Austausch von Anliegern, Nachbarn, Bürgern und Besuchern erweiterte Möglichkeiten der Beteiligung geben. Zu all diesen Punkten heißt es stets: Prüfen, Anpassen, Optimieren, Erweitern.
Professor Dr. Thieme-Hack bringt es zum Schluss noch auf den Punkt: Die Zertifizierung bringt etwas, weil man sich auch über den Lebenszyklus Gedanken macht. Neben der Phase 0 wird auch die Phase 10 einbezogen, was wichtig ist, denn „nichts gedeiht ohne Pflege“. Nur so kann es nachhaltig weitergehen. Eine Frage, die zum Schluss alle interessierte: führt die Zertifizierung zu einer Steigerung der Kosten für künftige BUGAs bzw. generell zu einer Steigerung der Projektkosten? Nein, die Zertifizierung steht im Verhältnis zu den Projektkosten. Schon zu Beginn des Prozesses kann man sehen, ob sich das Projekt lohnen bzw. funktionieren wird. Es wäre aber sicher sinnvoll, in den städtischen Haushalten für die Projektsteuerung und Evaluierung von Gartenschauen ein Budget einzustellen.
Die DBG wird den Ergebnisbericht in einer eigenen Publikation zusammenfassen.