Zwischenstand: Sechs Fragen an Horst Fischer, Geschäftsführer der IGA Metropole Ruhr 2027

In der Presse des Ruhrgebietes wird jetzt schon regelmäßig über Fortschritte der Internatio-nalen Gartenausstellung berichtet. Anlass für die DBG, Horst Fischer zu interviewen, der den Vorhang schon ein wenig aufzog. Man kann an seinen Antworten ablesen, dass ihm alle Projekte sehr am Herzen liegen.   

Deutsche Bundesgartenschau-Gesellschaft: Auf internationaler Bühne präsentiert die Region 2027 kreative Lösungsideen für Zukunftsfragen der Grünen Infrastruktur und der Stadtentwicklung in Metropolregionen.
Worauf können sich die Besucher freuen?

Horst Fischer, IGA 2027: Gartenschauen verstehen sich als Beschleuniger für städtische und regionale Entwick-lungsprozesse - dabei stehen in der Regel Grüne und Blaue Infrastruktur sowie stadtklimatologische Themen im Fokus. In einer hochverdichteten Region wie der Metropole Ruhr, die geprägt ist von alten Industriestandorten, ist die Konversion dieser Flächen in Landschaftsparks mit hohen ökologischen Qualitäten und Freizeitwerten ein wichtiges Werkzeug. Die Zukunftsgärten liegen bspw. in dicht bebauten Gebieten und Hitzeinseln. So ist z.B. der Umgang mit Oberflächenwasser (Stichwort „Schwammstadt“) und der nachhaltige Umgang mit Wasser für alle Standorte ein wichtiges Kernthema. Natürlich kommt aber auch das Garten- und Pflanzenthema nicht zu kurz: Klimagehölze und trockenheitsangepasste Stauden, die gleichzeitig intensiv blühen und insektenfreundlich sind, werden die Ausstellungsgelände prägen.

Deutsche Bundesgartenschau-Gesellschaft:  Wie sieht es auf der Ebene der Zukunftsgärten mit den investiven Planungen aus?

Horst Fischer, IGA 2027: Die Planungen der bleibenden investiven Freianlagen sind fast abgeschlossen. Anfang 2024 gehen die ersten Baumaßnahmen in Gelsenkirchen und Dortmund in die Umsetzung. Da in Duisburg der RheinPark zu großen Teilen schon abgeschlossen ist, folgen dort in den nächsten Jahren ergänzende Maßnahmen zur weiteren Qualifizierung des Standortes und zur Aufwertung der Freizeitmöglichkeiten. In Bergkamen und Lünen laufen gerade vorbereitende Maßnahmen: In Lünen erfolgt die Sanierung der alten Zechenfläche und in Bergkamen wird der neue Haldenkörper derzeit noch von der RAG geschüttet. Der interkommunale Zukunfts-garten besticht durch ein korrespondierendes Konzept mit unterschiedlichen Freizeitqualitäten: Während in Lünen der Fokus auf der Entspannung in der Natur liegt, soll in Bergkamen das expeditive Milieu angesprochen werden und über Aktivitäten sowie Trendsportarten der Standort als aktivtouristische Destination ausgebildet werden. Die Bergkamener verfolgen dabei ein langfristiges und nachhaltiges auch touristisch wirkendes Konzept, zu dem die IGA den Startschuss geben wird.  

Deutsche Bundesgartenschau-Gesellschaft:  Aufbauend auf den vorliegenden Entwurfsplanungen der Zukunfts-gärten wird innerhalb der IGA 2027 gGmbH derzeit an der Ausstellungskonzeption gearbeitet. Was muss diese leisten?

Horst Fischer, IGA 2027: Die IGA Metropole Ruhr 2027 fußt auf dem Drei-Ebenen-Konzept sowie der Leitfrage „Wie wollen wir morgen leben?“. In einem dezentralen Konzept ist es einerseits sehr wichtig ein holistisches Erlebnis an jedem Standort zu generieren, gleichzeitig aber auch Anreize zu schaffen, die anderen Standorte ebenfalls zu besuchen. Durch die Dezentralität soll der Besucher die unterschiedlichen Fassetten der Region kennenlernen, beeindruckende Bilder sehen und eine Vielfalt an Eindrücken erleben. Besonders für die Differenzierung der Standorte haben die landschaftsarchitektonischen Wettbewerbe einen wichtigen Grundstein gelegt. Aus den Eigenheiten und Besonderheiten der Standorte heraus wurden dabei unterschiedliche Planungen entwickelt. Um nun sicher zu stellen, dass einerseits die Leitfrage und das Narrativ der gesamten IGA deutlich wird und andererseits die Profile der Standorte weiter geschärft werden, arbeitet die IGA gGmbH kontinuierlich an einem übergeordneten und differenzierten Ausstellungskonzept. Neben den gärtnerischen Ausstellungsinhalten, die auf jeder Gartenschau zum Pflichtprogramm gehören, sollen weitere Ausstellungsbeiträge gezeigt werden, die inhaltlich die Zukunftsthemen widerspiegeln, inspirieren und informieren. Hier sollen natürlich Akteure der Region, aber auch der ein oder andere internationale Player eingebunden werden. Das Ausstellungskonzept sichert auf unterschiedlichen Ebenen das Leitmotiv der IGA, die Profile der Standorte und die Besucher-Choreographie innerhalb der Standorte.

Deutsche Bundesgartenschau-Gesellschaft: Wie geht es weiter mit der Umsetzung des Mobilitätskonzepts? Welche Alternativen zum klassischen ÖPNV werden zum Einsatz kommen?

Horst Fischer, IGA 2027: Innovative Mobilitätsprojekte werden ein wichtiger Aspekt der IGA 2027 sein. Wir sehen uns auch hier als Initiatorin und Impulsgeberin. Viele Maßnahmen in den Bereichen des ÖPNV und Schienen gebundenen Personennahverkehrs (SPNV), der Radinfrastruktur, des motorisierten Individualverkehrs (MIV) und innovative Mobilitätsprojekte sollen als positiv messbare Effekte auch nach der IGA 2027 Bestand haben.

Das MONOCAB beispielsweise ist so ein Projekt, zu dessen Weiterentwicklung wir gern beitragen möchten. Dazu haben wir kürzlich eine Absichtserklärung mit den Projektbeteiligten unterzeichnet - der Technischen Hochschule Ostwestfalen, der Fachhochschule Bielefeld, der Stadt Dortmund und dem Fraunhofer IOSB-INA. Diese MONO-CABs sind Kreisel stabilisierte, autonom fahrende Kabinen, die bis zu acht Personen auf einem einzigen Schienen-strang befördern. Diese Einschienenbahn fährt im Paternosterprinzip und könnte helfen, die Verkehrswende voranzubringen, vor allem in Regionen, in denen man still gelegte Schienen wieder nutzen möchte. 2027 sollen die MONOCABs im Zuge der Internationalen Gartenausstellung Metropole Ruhr für die Besucher*innen im Zukunfts-garten Dortmund erlebbar sein.

Darüber hinaus engagiert sich die IGA 2027 intensiv für das Thema Radwegeentwicklung. So sollen ca. 100 km neue und aufgewertete Radwegestrecken das Radwegenetz der Region ergänzen. Ganz entspannt und nachhaltig wird man die Zukunftsgärten auch über einen speziellen IGA-Radweg mit dem Rad erkunden können.

Deutsche Bundesgartenschau-Gesellschaft:  Welche Projekte aus der Ebene Unsere Gärten haben jetzt schon den 3. Stern erhalten? Welche Perspektiven haben die anderen Projekte?

Horst Fischer, IGA 2027: Von 38 Projekten haben inzwischen vier den Qualifizierungsprozess erfolgreich abgeschlossen und Förderzusagen über insgesamt 8,66 Millionen Euro erhalten. Im Rahmen eines Regionalen Forums hat die IGA Metropole Ruhr 2027 diesen Projekten den 3. Stern verliehen. Sie sind bzw. werden derzeit umgesetzt:

In Hagen wurde der Garten der Villa Hohenhof, in der Architektur- und Kunstgeschichte weltweit von Bedeutung, denkmalgerecht nach historischem Vorbild unter Einbeziehung ökologischer Aspekte rekonstruiert.

Das Modellprojekt Klimagarten in Schwerte wird der Begleitung, Erforschung und Erfahrbarmachung von Freiraumgestaltung in der Metropole Ruhr dienen und auf einer gemeinsamen Fläche die Themen Klimaschutz und Klimaanpassung nachdrücklich und anschaulich vermitteln.

Die Burgruine mit Freiheit in Wetter wird durch ihre Inwertsetzung künftig für zeitgemäße Ausstellungspräsen-tationen, als Freilufttheater sowie für unterschiedliche kulturelle Veranstaltungen genutzt werden können. Als Teil der Städtekooperation Flusslandschaft Mittleres Ruhrtal wird sie damit auch zur Stärkung des touristischen Images der Gesamtregion beitragen. Zu dieser Kooperation gehört auch das vierte Projekt, das Ruhrfenster Mühlen-graben. Es führt die Themen Trinkwassergewinnung, Überschwemmungs- und Landschaftsschutz sowie Freizeit und Erholung beispielhaft zusammen.

Drei weitere Projekte haben derzeit den zweiten Stern im Sinne einer Förderung in Aussicht erhalten. Auch wenn vielleicht nicht für alle 38 Projekte ein Förderzugang gefunden werden kann, sind wir zuversichtlich, dass sich in den kommenden Monaten für viele weitere Projekte der Ebene Unsere Gärten passende Umsetzungsoptionen entwickeln werden. So werden die Besucher der IGA 2027 neben den Zukunftsgartenstandorten auch zahlreiche regionale Projekte besuchen können.

Deutsche Bundesgartenschau-Gesellschaft:  Auf der Ebene Mein Garten wird z. B. die Immobilienwirtschaft eine Rolle spielen. Auch das Konzept der „Essbaren Stadt“ soll integriert werden...

Horst Fischer, IGA 2027: Für das Projekt „100 Wohngärten“ kooperieren wir mit dem Verband der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft Rheinland Westfalen (VdW). Mit seinen zahlreichen Mitgliedern ist der Verband ein hervorragender Partner, um die Menschen in der Region für die Anliegen der IGA 2027 zu begeistern und einzubinden. Ziel des gemeinsamen Projektes ist es, Freiräume in den Quartieren der Mitgliedsunternehmen und -genossenschaften zu erschließen und durch großflächige Begrünung einen Beitrag für die grüne Quartiersentwicklung im Ruhrgebiet zu leisten.

Das Projekt sorgt dabei vor allem für Know-how-Transfer und Erfahrungsaustausch, um die Mitgliedsunternehmen bei ihren Vorhaben zu unterstützen. Wir freuen uns sehr, dass das Projekt trotz der angespannten Lage in der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft großes Interesse bei den Unternehmen findet. Bereits im nächsten Jahr sollen die ersten Wohngärten des Projekts vorgestellt werden. Wir werden die Projekte der Wohnungsunternehmen dann auf der im Herbst/Winter 2024 startenden digitalen Plattform der Ebene Mein Garten präsentieren. Und auch für die Zukunftsgärten soll ein Ausstellungsbeitrag entwickelt werden, der die Initiativen der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft repräsentiert.

Zum Thema „Essbare Stadt“ sei stellvertretend für die verschiedenen Initiativen hier das Projekt „Schlaraffenband Ruhr“ genannt. Das Schlaraffenband ist eine gemeinsame Vision der Ernährungsräte Essen, Bochum und Dortmund, die mit Blick auf die IGA 2027 entwickelt wurde: Entlang der Radwege des Ruhrgebiets sollen alle 5 -10 km Naschorte entstehen - kleine Oasen, wo ausgeruht, geschaut, gestaunt und genascht werden kann. Die Besucher*innen sollen essbare Wild- und Kulturpflanzen wie z,B, die Aroniabeere vorfinden, die sie auch über Infotafeln kennen lernen können. Trinkbrunnen zur Erfrischung und Sitzgelegenheiten sollen das Angebot abrunden.

So wird das Schlaraffenband Ruhr dafür sorgen, dass die Radwege der Region und natürlich auch der IGA Radweg nicht nur die Städte umweltfreundlich verbinden. Sie werden auch besondere Natur-Erlebnisse für alle Sinne bieten und den Menschen die Möglichkeit geben, selbst daran mitzuwirken.

Solche grünen Projekte der Menschen hier liegen uns besonders am Herzen. Sie werden die Ebene Mein Garten der IGA 2027 bereichern, zum Nachahmen und Mitmachen anregen und sollen natürlich auch über das IGA-Jahr 2027 hinaus erhalten bleiben.