„Grüne Stadt“ – Klimaanpassung in der nachhaltigen Stadt
Es ist eine ebenso grundlegende wie weitreichende politische Entscheidung einer Stadt, eine Grüne Stadt zu werden. Die Grüne Stadt erkennt die grün-blaue Infrastruktur als Daseinsvorsorge für ihre Bevölkerung an und folgt in ihrem Leitbild biologischen und ökologischen Prinzipien, die sie auf alle Lebensbereiche ausweitet. Die Grüne Stadt will eine nachhaltige Stadt sein. Sie folgt dem globalen Zukunftsziel für nachhaltige Entwicklung Nr. 11 der Agenda 2030, „Städte und Siedlungen inklusiv, sicher, widerstandsfähig und nachhaltig [zu] gestalten“.
Dieses Nachhaltigkeitsziel wird von der Charta Zukunft Stadt und Grün seitens zahlreicher Verbände in Deutschland aufgegriffen und interpretiert.
Die Bundesregierung stellte ihre Vision der Grünen Stadt 2019 auf der Internationalen Gartenbauausstellung in Beijing, China, in einem preisgekrönten Pavillon dar. Der Begriff der Grünen Stadt beinhalte demnach „grüne Entwicklungsziele für die Stadt“, die „im Einklang mit der Natur“ zu stehen hätten, beziehe das tägliche Leben der Menschen „grün“ mit ein, fördere „grünes Denken“ über Bildung und Forschung für die Zukunft und sei schließlich „grüne Heimat“. Das Leitbild der Grünen Stadt erscheint in dieser Vision auf den ersten Blick am wenigsten geeignet für die Klimaanpassung von Städten durch urbanes Grün. Um diesen Status zu erreichen, erkennt man bei näherer Betrachtung des Maßnahmenspektrums jedoch zahlreiche Aspekte der anderen, bereits dargestellten Leitbilder wieder und versteht den umfassenden Gedanken der Grünen Stadt, der in den folgenden Punkten zusammengefasst werden kann: Grüne Entwicklungen im Einklang mit der Natur: Planung und Transformation von Städten nach biologischen Prinzipien, bioinspiriertes Design, Verwendung biobasierter Materialien, geschlossene Material- und Energiezyklen (Kreislaufwirtschaft), kaskadierende Nutzung von natürlichen Ressourcen, Wertschöpfungsketten mit Informationsketten, Kombination von Lebens-, Arbeits- und Freizeitbereichen (einschließlich Emissionsschutz), Vereinbarkeit von Verkehrs- und Industrieanlagen mit Wohnorten, biologische Lebensraumkonzepte und lokale Produktionsstätten für frische Nahrungsmittel. Darunter fallen aber auch Pflanzenschutz und -pflege in der Stadt, Standortgerechtigkeit bei Pflanzung und Pflege, Vernetzungen von Grünflächen zur Erhaltung der Biodiversität, Förderung von biologischen Regelkreisläufen, Nutzung mikrobieller Symbiosen, Ermöglichung von Ökosystemleistungen, Monitoring, Prognose, rechtzeitige Intervention, Vereinbarung von Naturschutz und Pflanzenschutz.
Grüne Aspekte des täglichen Lebens
Von der Grünen Stadt werden dabei anvisiert integrierte Nahrungsmittelproduktionsmethoden (technische Dach-Haus-Integrationen), Aquakulturen, neue Nahrungsmittel (zum Beispiel Insekten, Algen), die technische Nutzung von Photosynthese zur Energiegewinnung (zum Beispiel Algenhäuser, kombiniert mit dezentraler Energiespeicherung), Energieeinsparung durch Gebäudebegrünung, Kombination von Dachbegrünung und Photovoltaikanlagen, Nahrungsmittelproduktion in VerticalHorticulture-, Sky-Farming- und Space-Farming-Ansätzen, Smart-Digital-Garden-Konzepte (Düngungssteuerung, Roboter im Garten etc.), biobasierte Baumaterialien, begrünte Fassaden und Dächer zur Emissionsreduktion durch Pflanzen (Schall, Staub, Luftschadstoffe), Neuformulierung von Züchtungszielen für nachwachsende Rohstoffe, Recyclingoptimierung, Humusbereitstellung und vieles mehr.
Bildung für die Zukunft
Dazu gehören Maßnahmen und Inhalte wie die Werbung für themenbezogene Ausbildungsgänge und Gestaltung neuer Arbeitsplätze, zielgruppengerechte Aufbereitung von Wissen über grüne Infrastruktur und Bioökonomie, Aufarbeitung und Nutzung von Informationssystemen, Wissensnetzwerken und Datenbanken, Forschungsstandorten, Fachgesellschaften, Verbänden für die Aufklärung über Chancen der Grünen Stadt der Zukunft, Darstellung der Struktur von Produktions- und Informationsketten, Rückverfolgbarkeit von Produkten, Produkt-Zertifikatinhalten, Vermittlung praktischer Methoden wie „Beziehungskisten“, „grüne Labore“, Lehrpfade, Schulgärten, „Jugend forscht“, „Kinder-Unis“, IdeenExpo, Grüne Woche, soziale Landwirtschaft, solidarische Landwirtschaft und mehr.
Die Grüne Stadt wird grüne Heimat
Grün gestalteten öffentlichen Räumen werden soziale Funktionen zugewiesen (Lernräume, Naturerfahrungsräume, Treffpunkte, Integrations- und Inklusionsräume, Entschärfung von sozialen Brennpunkten), Gärten sollen als Orte kulturellen Austauschs (Musik, Kunstausstellungen und mehr) verwendet werden, grüne Gestaltungsmöglichkeiten von Innenräumen, einschließlich öffentlicher Innenräume, werden aufgezeigt, die Bedeutung eigener Nahrungserzeugung (Urban Gardening, Social Gardening) erfährt Wertschätzung und die Bedeutung von Freiräumen für Sport und Freizeit sowie Partizipationsmöglichkeiten bei der Gestaltung des Umfeldes sollen unterstrichen und ermöglicht werden. Eine vielfältige Pflanzenauswahl ist für die Insektendiversität besonders wichtig. Die so skizzierte Grüne Stadt bezieht die bereits beschriebenen Leitbilder mit ein und kann damit als umfassende Zukunftsvision der Stadt generell gelten. Die Stadt der Zukunft soll demnach nachhaltig, ressourceneffizient und klimaresilient sein. Das Leitbild der Grünen Stadt ist in seiner großen Zahl der Aspekte sehr vielgestaltig. Werden die vorstehenden Leitbilder den einzelnen Ressorts der Stadtverwaltung vermittelt, tragen sie zur Grünen Stadt der Zukunft bei. Das korrespondiert auch mit der Neuen Leipzig Charta 2021. Diese kann als Leitdokument für eine zeitgemäße Stadtpolitik in Deutschland und Europa begriffen werden. Neben der gerechten und der produktiven wird auch die Grüne Stadt als eine von drei zentralen Dimensionen für die Transformation der Städte beschrieben. Dementsprechend gilt es, Klimaresilienz und Lebensqualität zu verknüpfen. Dafür ist es zielführend, insbesondere hochverdichtete Innenstädte stärker zu begrünen.
Der Beitrag wurde mit freundlicher Genehmigung der Broschüre „Stadtgrün wirkt“ des Bundesinstituts für Stadt-, Bau- und Raumforschung im Bundesamt für Bauordnung und Raumforschung entnommen. Herausgegeben 2023, hier zu lesen Seite 61 – 63.