40 Jahre Britzer Garten: Fit für die Zukunft durch nachhaltige Pflege und behutsame Weiterentwicklung
"Nichts gedeiht ohne Pflege und die vortrefflichsten Dinge verlieren durch unzweckmäßige Behandlung ihren Wert". Als der königliche Gartenarchitekt Peter Josef Lenné 1823 diese Worte in einem Aufsatz über die Einrichtung einer Landesbaumschule in Potsdam schrieb, war ihm sicherlich nicht bewusst, welche Bedeutung diese Aussage auch mehr als 200 Jahre später noch für die Pflege und Unterhaltung von gärtnerischen Anlagen und insbesondere für unseren Jubilar, den Britzer Garten, hat.
Ein Defizit an Grünflächen
Nach dem 2. Weltkrieg nahm im weitestgehend „baumfreien“ und seiner Grünanlagen „beraubten“ Berlin die Wiederherstellung der bedeutenden gärtnerischen Anlagen wie beispielsweise des Großen Tiergartens, der Begrünung der Trümmerberge in Ost und West sowie der Ufer von Spree und Havel einen hohen Stellenwert ein. Insbesondere der Ausgleich des Gründefizits in den dichtbesiedelten West-Berliner Bezirken Neukölln, Tempelhof und Kreuzberg stand im Fokus der Entwicklung. Von den traditionellen Erholungsgebieten wie Treptower Park, Köllnische Heide oder Müggelsee abgeschnitten, beschloss 1976 der West-Berliner Senat die grüne Vision einer Bundesgartenschau mit einer Kernfläche von mehr als 90 Hektar Größe.
Von besonderer Qualität: Bürger*innenbeteiligung und Kunst im Park
Die Gründung der Projektgruppe „Realisierung BUGA 1985“ im Jahr 1978 kann als offizieller Startschuss verstanden werden. Dieser „Zusammenschluss“ initiierte vermutlich auch die erste Bürger*innenbeteiligung Berlins mit 170.000 verteilten Stimmzetteln. Mehr als 4.000 Stimmzettel mit Wünschen, Vorschlägen und Ideen kamen von den Bürger*innen zurück und flossen in den 1977 durchgeführten bundesweiten Ideenwettbewerb ein. Der meistgenannte Wunsch war die Schaffung einer großen Seenfläche inmitten der Parkanlage. Beauftragt mit der Umsetzung des BUGA-Parks wurde schlussendlich der Garten- und Landschaftsarchitekt Miller aus Stuttgart.
Auch das Thema „Kunst im Park“ war immanenter Bestandteil der BUGA-Planung. Erstmalig in dieser Größenordnung wurde bei der Entwicklung einer Bundesgartenschau ein Kunstwettbewerb im Volumen von 5 Mio. DM durchgeführt. Die daraus entstandenen, zahlreichen und vielfältigen Kunstobjekte wie Skulpturen und ikonographischen Architekturen prägen noch heute das Bild des Britzer Gartens.
Bereits währen der Durchführung der BUGA 1985 führte das Konzept der neuen Anlage mit seiner rund zehn Hektar großen Wasserfläche, ausgedehnten Rasenarealen, vielfältigen Themengärten und Kunstwerken in Verbindung mit Umweltbildungseinrichtungen und einem breiten Veranstaltungsprogramm zu der Entscheidung, den 90 Hektar großen Park dauerhaft zu erhalten und die hohe Qualität sowie das vorbildhafte gärtnerische Niveau zu sichern. Nach Beendigung der BUGA blieb die Umzäunung, der neue Name „Britzer Garten“ entstand und ein Eintrittsentgelt von damals 50 Pfennig wurde erhoben.
Nachhaltige Pflege
Analog zu den vorangegangenen Bundesgartenschauen wurde die Grünflächenpflege während des Durchführungszeitraums der BUGA 1985 von den Wettbewerbsgewinnern des Garten- und Landschaftsbaus sichergestellt. Zumeist endet die Beauftragung mit dem Abschluss der Gartenschau und kommunale Stellen übernehmen stattdessen die Aufgaben. Im Fall des nun, in Britzer Garten umbenannten Parks, wurde ein anderer Weg gewählt: Die landeseigene, für die Ausrichtung der Bundesgartenschau verantwortliche Gesellschaft, die heutige Grün Berlin, wurde mit dem Weiterbetrieb der Gesamtanlage beauftragt. Die Grundlage bildeten Nutzungsverträge, die mit den beteiligten Grundstückseigentümern, den Berliner Bezirken Neukölln und Tempelhof-Schöneberg, geschlossen wurden.
Das Prinzip der externen Vergabe im Britzer Garten blieb bei allen Gewerken unter Berücksichtigung der geltenden Vergabeordnungen bis heute bestehen. Zur Sicherung der gewünschten Qualität bei der Durchführung aller gärtnerischen Leistungen werden für jeden Pflegebereich im Park individuelle Kriterienkataloge erstellt. Die daraus resultierenden, mit dem erstellten Parkpflegewerk abgeglichenen Leistungsverzeichnisse, beinhalten Beschreibungen zu „Vegetationsbildern“ und den entsprechend definierten, durchzuführenden Leistungen. Die „Vegetationsbilder“ zeigen die Vielfältigkeit und Einzigartigkeit wesentlicher Parkbereiche des Britzer Gartens. Dabei umfassen diese nicht nur hochwertige Gehölz- und Staudenflächen, wie den Rosen- oder Karl-Foerster Garten, sondern werden beispielsweise auch für Rasenflächen erstellt.
Das Leistungsverzeichnis als Arbeitsgrundlage setzt ein fundiertes gärtnerisches Fachwissen und die Bereitschaft des Fachpersonals voraus, den jeweiligen Pflegebereich gut kennenzulernen, ganzheitlich zu denken, zu beobachten und mit entsprechenden Maßnahmen zu reagieren. Je längerfristiger die Betreuung und Expertise desto besser sind erwartungsgemäß die Ergebnisse.
Neue Herausforderungen: Grundlagen schaffen und Lösungsansätze entwickeln
Um weiterhin die seit vier Jahrzehnten bewährten Qualitätsstandards und die Einzigartigkeit der Anlage zu erhalten, muss sich der Britzer Garten unter anderem im Zeichen des Klimawandels neuen Herausforderungen stellen. Eine stabile und nachhaltige Vegetationsstruktur gilt es zu erhalten bzw. diese zukunftsfähig anzupassen, ohne die Identität der Parkanlage zu verändern.
Als Grundlage dafür hat die Grün Berlin als Betreiberin des Britzer Gartens im Jahr 2021 nach umfangreichen Voruntersuchungen und mit Hilfe einer weitreichenden Bürger*innenbeteiligung das Entwicklungskonzept „Britzer Garten 2030“ erstellt. Ziel des Konzeptes ist, die urbane Grünfläche im Bezirk Neukölln auch langfristig fit für die Zukunft zu machen und an die wandelnden Bedürfnisse der Besucher*innen anzupassen. Auf der Agenda steht die behutsame und schrittweise Weiterentwicklung der mittlerweile 40-jährigen Parkanlage. Dazu zählen eine barrierefreie und gendergerechte, d.h. die Bedürfnisse aller sozialer Gruppen und Geschlechter berücksichtigende, Qualifizierung, die Modernisierung der Infrastruktur und vor allem die Förderung der Biodiversität und Klimaresilienz unter Berücksichtigung der bestehenden und erhaltenswerten Flora- und Fauna-Habitate.
Dabei wird im Britzer Garten nicht nur der Arten- und Biotopschutz im engeren Sinn großgeschrieben. Weitreichende Umweltbildungsangebote, ein nachhaltiges Regenwassermanagement und eine zukunftsgerichtete Entwicklung, die auch vor den tradierten und weithin bekannten Attraktionen des Britzer Gartens, wie z.B. der „Tulipan im Britzer Garten“, nicht Halt macht, werden Schritt für Schritt umgesetzt. All das prägt maßgeblich das außergewöhnliche Natur- und Erholungsgebiet inmitten der dichtbesiedelten Hauptstadt.
Sicherlich werden der Klimawandel, der Erhalt und die Steigerung der Biodiversität sowie die entsprechend umzusetzenden Maßnahmen in den nächsten Jahren einen weitreichenden Einfluss auf den Britzer Garten haben. Leitgedanke und Handlungsempfehlung bleibt das Parkpflegewerk und der Leitsatz: "Nichts gedeiht ohne Pflege und die vortrefflichsten Dinge verlieren durch unzweckmäßige Behandlung ihren Wert".
Beate Reuber, Parkbotschafterin der Grün Berlin, Senior Consultant