Upgrade für ein barockes Paradies

Gabriella Pape hat mit ihrem Team von der Königlichen Gartenakademie in Berlin ein Prachtstück österreichischer Gartentradition unkonventionell, klimagerecht, innovativ und obendrein hochästhetisch aufgefrischt: das barocke Garten-Parterre von Schloss Leopoldskron in Salzburg.

Was für ein perfekt inszeniertes Theaterstück: wo man hinschaut, blühende Schönheiten. Doch die Hauptdarsteller sind zu Beginn des Sommers weder Rosen noch die eleganten Bälle des Zierlauchs. Die Königin im Beet ist fast zwei Meter hoch und beinahe ebenso breit, mit ausladenden, silbergrauen spitzig gezackten Blättern, die dornenbewehrt sind. Wie bitte, was hat eine Eselsdistel (Onopordum acanthium) als Krönung in einem historischen barocken Beet zu suchen? Ist doch Unkraut, entrüstet sich kopfschüttelnd der gemeine Gartenmensch. Mitnichten. Mit der Nobilitierung dieser imposanten Monsterpflanze - vom Straßenrand in einen edlen Garten, was für eine Karriere - beging Gabriella Pape, die Berliner Gartenkünstlerin, einen tollen Tabu-Bruch.

Das Barockschloss samt Garten und Park wirkt wie aus einem Sommernachtstraum. Heiter und verspielt schimmert der weiße Bau zwischen majestätischen Bäumen hindurch. Noch idyllischer ist die Gartenseite: eine märchenhafte Szenerie, wie sich das Schloss vor mächtiger Alpen-Kulisse in einem großen Weiher spiegelt. Kein Wunder, daß sich 1918 Max Reinhardt, legendärer Theater-Impressario und Begründer der Salzburger Festspiele, in das 1736 von einem Fürstbischof erbaute Schloss verliebte. Achtzehn glückliche Jahre verbrachte er dort, “ich habe geschmückt, gepflanzt und geträumt davon, wenn ich nicht da war. ...”, notierte er über diesen paradiesischen Ort. Dessen grünes Herzstück ist ein Gartenparterre, daß sich entlang der Schlossfront bis zum Wasser erstreckt. Hundertprozentig barock war es schon nicht, als Reinhardt hier einzog. Der verfeinerte es im neo-barocken Stil, bestückte es mit Laternen, Skulpturen und grotesken Zwergen-Figuren. In dieser sinnlichen grünen Kulisse, selbst eine Theater-Inszenierung, empfing der charmante Gastgeber und kunstsinnige Tausendsassa illustre Gäste aus aller Welt, darunter Carl Zuckmayer und Lilian Gish. Man balancierte mit dem Cocktailglas zwischen Buchs-Beeten, bewunderte Blumen, die berühmten Seepferdchen-Skulpturen und den magisch gezackten Gipfel des Unterbergs vis-á-vis des Schlosses. 

Berliner in Salzburg initiieren die Rückkehr der Schönheit

Heute balancieren hier die schönsten Pflanzen und führen ein fulminantes Blüten-Ballet auf. Nach wechselvoller Geschichte übernahmen neue Besitzer (Salzburg Global Seminar) ab Mitte des 20. Jahrhunderts Schloss und Park. Doch das Garten-Parterre, einstiges Glanzstück, war arg vernachlässigt. Den Anstoss zur Renovierung gaben zwei Neu-Salzburger, die Berliner Unternehmer Ira Schwarz und Dieter Mann. Als passionierte Gartenkenner verliebten sie sich vor drei Jahren in das Gesamtkunstwerk Leopoldskron und sahen das Potential des Parterres: „Ein grandioses Stück Gartenkunst, das neuen Glanz braucht“. Die zwei finanzierten mit weiteren Mäzenen den Relaunch. Engagiert wurde dafür Gabriella Pape, Expertin für zeitgenössische Gartenkunst und Silber-Medaillen-Gewinnerin bei der berühmten Londoner Chelsea Flower Show. Wie transformiert man ein so geschichtsträchtiges grünes Juwel ins 21. Jahrhundert? „Die Herausforderung ist“, erklärt Pape, „den atemberaubenden Blick vom und zum Schloss einzubeziehen, um die Dominanz des Parterres und dessen Charme zu erhalten. Denn Schloss und Parterre bilden eine architektonische Einheit“. Die streng geometrischen Formen der Beete wurden vom Korsett der Einfassung aus Buchsbaum befreit. Der war dem Zünsler zum Opfer gefallen und man wollte diesen traditionellen barocken Rahmen bewußt nicht wiederholen. Jetzt wirken die Beete leichter, spielerischer, haben zierliche Schnörkel und tänzeln kurvenreich durch den feinen Kies.

Buchs weicht Eibe – als Formbegleiter

Der barocke Formschnitt aus niedriger Eibe spiegelt die Verzierungen und Formensprache der Architektur des Schlosses, innen wie aussen, wieder. Er rahmt aber nicht mehr linear die kompletten Beete, sondern begleitet deren Formen nur innen als kompakte Flächen. Ein subtiler wie raffinierter Dialog zwischen Architektur und Garten. Pape nennt das „inside out“ Architektur: „Die moderne Interpretation historischer Elemente wie des Stucks an Wänden und Decken in der Bibliothek oder der Außenfassade stehen im Zentrum, umsäumt mit modernster blühender Staudenbepflanzung“.Dabei wurden bewußt Stauden gewählt, die über viele Jahre, möglichst Jahrzehnte, am Standort verbleiben können. Dafür war es notwendig, den alten, ausgelaugten Boden komplett auszutauschen. Schon die Ouvertüre im Frühling war überwältigend, mehr als 10 000  Frühlingsblüher, Krokusse, Narzissen und Tulpen, leuchteten in sanften bis satten Farben. Jetzt im Sommer heißt es: Vorhang auf! für die vielen Stauden, die sich zu einem opulenten dreidimensionalen Gemälde verweben. Lässig schaukeln große weiße  Blütenkugeln des Zierlauchs über den Beeten. Ihre Stängel werden von Wogen blauer Katzenminze umspielt, als anmutige Statisten agieren später diverse Sorten Sommer-Phlox. Hoch ragen die Glockendolden der Fingerhüte in weiß und pink empor, weiteren Cottage-Garden-Touch geben Sterndolde, Flockenblume oder Brandkraut. Die Farb-Skala reicht von Weiß über milde Blau-Violett-Töne bis zum leuchtendem Blau von Blauraute und Steppen-Salbei 'Amethyst' in tiefem Königsblau. Mit samtartigen Blüten in extravagantem tiefsten Purpur zieht die Schwertlilie 'Superstition' alle Blicke auf sich. Hauchzart sind dagegen die weißen Blüten der Nachtviole, ein Abenddufter mit köstlich pudrigem Odeur. Und die Eselsdistel? Hier bekommt die XXL-Pflanze - in den USA als invasiv geschmäht, in Schottland seit Jahrhunderten als Wappenmotiv geehrt - ihren großen Auftritt. Ein brillanter Blickfang als bizarre Skulptur und obendrein nützlich, die purpurroten Blüten des meist zweijährigen Korbblütlers werden von Bienen-Verwandten, Insekten und Schmetterlingen begehrt.

Entstanden ist ein naturnahes Kabinett für alle Sinne

Die Gäste des Seminars und des Hotels können dieses ästhetische wie naturnahe Kabinett mit allen Sinnen genießen und finden Anregungen für den eigenen Garten. Die neue Gestaltung lädt zum Lustwandeln zwischen den Beeten ein, zum Sitzen, um kleine ‚Konzerte‘ zu erleben, wenn es hier  summt, zirpt, zwitschert und Schmetterlinge umherschwirren. Die florale Collage ist hautnah erlebbar, was den nonchalanten Charme  steigert. Stauden können und sollen keck über die schmalen Kanten aus Eisen wuchern, wie die aparten cape-förmigen Blätter von Frauenmantel, das filzig-graue Laub des Wollziests oder das Spanische Gänseblümchen, das dekorativ über Steinmauern schlampert. Rosen sind locker in die Beete getupft. Die nostalgische, gefüllte 'Munstead Wood', eine tiefviolette Diva mit betörendem Duft, ist eine von David Austin gezüchete Hommage an den Wohnort der berühmten englischen Gartenkünstlerin Gertrude Jekyll. Im Herbst wird sich die Szenerie wandeln mit wogenden, raschelnden Gräsern wie Diamantgras und Kerzengras, mit Kerzen-Knöterich, Herbst-Anemonen, Chrysanthemen und Astern. Die neuen Pflanzen brauchen weniger Pflege - früher waren es oft einjährige und pflegeintensive Pflanzen - sind vor allem dem Klimawandel besser angepaßt, und alles ohne Chemie und Pestizide. Gemulcht wird mit Kompost, auf künstliche Bewässerung wurde verzichtet, man hofft trotz Klimawandel weiter auf den berüchtigten, aber auch segensreichen Salzburger „Schnürlregen“.

Text und Bilder: Christa Hasselhorst