Historische Gärten im Klimawandel
Hotspots der Biodiversität in Gefahr
Die Gartendenkmalpflege kann anders als noch vor einigen Jahren heute regelmäßig mit medialer Aufmerksamkeit rechnen. Der Hintergrund dieser Entwicklung ist so dramatisch wie bekannt: der Klimawandel. Die Häufung von Hitze- und Dürrephasen sowie Starkregen- und Extremwetterereignissen gefährdet die Fortexistenz historische Garten- und Parkanlagen. Professor Stefan Schweizer hat dazu einen Kommentar verfasst, den wir hier einer breiteren Öffentlichkeit zukommen lassen möchten.
Wenn der pflanzliche Bestand gefährdet ist, weil ihn Hitzephasen überfordern, wenn daraufhin Stürme leichteres Spiel haben, wenn bereits geschwächte Gehölze alten wie neuen Schädlingen ausgeliefert sind, dann verliert das Gartendenkmal seine konstitutiven Strukturen. Damit kündigt sich der Verlust von den Raumbildern an, die aus einem Gartenraum überhaupt erst ein Denkmal machen und ihm denkmalrechtlich Schutz gewähren. Gefährdet sind raumbildende und blickleitende Strukturen wie Alleen, Sichtachsen, grüne Blickwände, Parkwälder, Gehölzgruppen und Solitärgehölze, wie sie viele Landschaftsgärten charakterisieren. Geschädigte Bäume stellen eine Gefahr für Besucher*innen dar – immer öfter werden historische Anlagen zeitweise, bisweilen auch längerfristig geschlossen, um der Verkehrssicherungspflicht nachzukommen.
Diese Gefahren wurden längst erkannt und in kurzer Zeit ein ganzes Spektrum an unterschiedlichsten Gegenmaßnahmen entwickelt und eingeleitet. Manches bleibt noch Gegenstand der Forschung, doch grundlegend ist es erstaunlich, wie experimentell und innovativ zum Teil vorgegangen wurde und wird. Soweit die (erwartbare) fachliche Reaktion.
Noch bemerkenswerter scheint, dass sich die Begründungszusammenhänge verändern und damit aus den fachlichen Diskursen immer öfter öffentliche Diskussionen werde. Das beginnt damit, dass die Ökosystemdienstleistungen von historischen Gärten und Parks quantifiziert und qualifiziert werden können. Neben der Bindung von CO2 und den Kühlungseffekten für die unmittelbare Umgebung wird hier auch ihr hoher Wert für Freizeit und Erholung verbucht. Dass historische Gärten und Parks eminente Teile unseres Kulturerbes darstellen, muss gar nicht mehr eigens betont werden. Vielleicht noch wichtiger ist die in diesen Diskussionen herausgestellte Rolle historischer Gärten und Parks für die Biodiversität von Gehölzen. Der erste (noch unveröffentlichte) Parkschadensbericht von Prof. Dr. Norbert Kühn (TU Berlin) hat berechnet, dass in historischen Gärten und Parks knapp 550 Baumarten wachsen. Die historischen Anlagen sind damit Hotspots der Biodiversität, was sich ihrer langen Tradition als Einfallstor fremder Pflanzen verdankt. Damit unterscheiden sie sich fundamental von den sie häufig umgebenden ausgeräumten Agrarlandschaften und Plantagenwäldern.
Außerordentlich ist auch die Vielfalt der Protagonisten auf unterschiedlichsten Ebenen: Von großer Bedeutung war es, dass mit Prof. Dr. Michael Rohde, Gartendirektor der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg, eine exponierte Instanz sehr früh und mit hochrangiger wissenschaftlicher Unterstützung auf die Gefährdungen durch den Klimawandel aufmerksam machte. Angesicht der regional unterschiedlichen Schadensbilder waren jedoch weitere Netzwerke erforderlich. So engagierte sich die DGGL im Verbund mit dem Verein Schlösser und Gärten für den Aufbau eines Netzwerks, das als Initiativbündnis Historische Gärten im Klimawandel 2019/20 gegründet wurde. Circa 60 Betreiber von historischen Gärten und Parks sind heute Mitglied des Verbunds. Mit Unterstützung des Deutschen Nationalkomitees für Denkmalschutz konnte eine Onlineplattform eingerichtet werden, die dem Austausch von Erfahrungen dient.
Gartendenkmalpfleger*innen ist klar, dass damit nur Anfänge gemacht wurden und das Thema als Dauerbrenner zu betrachten ist. Es muss in den Förderkulissen ebenso verankert werden wie in den Curricula der Hochschulen und bedarf partiell auch neuer gesetzlicher Grundlagen, um Zielkonflikte zwischen Denkmalpflege, Naturschutz und Klimaanpassung zu regulieren.
Initiativbündnis Historische Gärten im Klimawandel (IHGIK)
Im IHGIK bündeln zum ersten Mal bundesweit Expertinnen und Experten ihre Kompetenz in Pflege, Forschung und Vermittlung historischer Gärten und Parks, um gewachsene Kultur zu erhalten. Im Bündnis ist eine breite Allianz aus staatlichen, kommunalen und privaten Garten- und Parkverwaltungen, Stiftungen sowie grünen Verbänden und Wissenschaftsvertretern versammelt. Das Deutsche Nationalkomitee für den Denkmalschutz (DNK) fungiert als Schirmherr auf Bundesebene.
www.gaertenimklimawandel.de