Kautz, Foerster, Rittersporn
Spektakulärer Domblick, charaktervolle Terrassenbeete und eine besondere gärtnerische Handschrift – der Karl-Foerster-Garten im egapark ist ein Kleinod, der mit der BUGA Erfurt 2021 seine besondere Ausstrahlung zurück erhält. Auf de Terrassen wird aktuell von Montag bis Freitag gebaut, gepflanzt und gestaltet. Teilweise nach Pflanzkonzepten, die vor 50 Jahren der Erstbepflanzung zugrunde lagen. Die samstägliche Arbeitsruhe wird von einer kleinen Gruppe, mit Spaten und anderen Gartenutensilien bewaffnet, unterbrochen. Heute pflanzt Wolfgang Kautz, ein Schüler des Staudenpapstes Karl Foerster, auf einer der Terrassen.
„Kautz, mach doch Rittersporn“, waren die weisen Worte, an denen Wolfgang Kautz sich einst orientierte und die bis heute fester Bestandteil seines Lebens sind. Ausgesprochen wurden sie von keinem geringeren als Staudenpapst Karl Foerster.
Mitte der 60er Jahre des vergangenen Jahrhunderts war der junge Wolfgang Kautz auf Karl Foerster getroffen. Eher zufällig, wie er sagt. Während der Berufsschule zum Gärtner habe er von einer Mitschülerin erfahren, die damals in Foersters Gärtnerei arbeitete. „Sie saß mir diagonal gegenüber und wurde später sogar meine Frau“, erzählt der heute 76-jährige Wolfgang Kautz mit einem Lachen im Gesicht, während er im Karl-Foerster Garten des egaparks Löcher für neue Stauden aushebt.
Doch nicht nur die Beziehung zu besagter Mitschülerin wurde nach der anfänglichen Kennenlernphase immer intensiver. Auch Karl Foerster und Wolfgang Kautz wurden mit der Zeit immer besser miteinander bekannt, eine Zeit lang pflegte Kautz den Gartengroßmeister sogar, als dieser selbst nur noch bedingt in der Lage dazu war. Es seien, sagt Wolfgang Kautz, intensive und vor allem lehrreiche Jahre mit Foerster gewesen. Denn trotz seiner körperlichen Gebrechen, war dieser noch im Vollbesitz seiner geistigen Fähigkeiten und so erinnert Wolfgang Kautz sich gern an den Potsdamer Übervater der Staudengärten. Dieser sei, betont Kautz, ein einfacher und herzlicher Mann gewesen. Hochintelligent und trotzdem im wahrsten Sinne des Wortes geerdet. „Du kannst auch einfach Karlchen zu mir sagen“, hatte Foerster seinem Schüler und späteren Mitarbeiter Kautz mehrfach angeboten. Dass dieser aber trotz der tiefen persönlichen Beziehung ihn bis zum Schluss „Herr Foerster“ nannte, lag an der Ehrfurcht vor dessen Lebensleistung.
Wolfgang Kautz orientierte sich an den weisen Worten des Mentors, beschäftigte sich mit Rittersporn und ist heute einer von sehr wenigen Gärtnern im deutschsprachigen Raum, die mit der Pflanze wirklich vertraut sind. Denn Rittersporne sind alles andere als pflegeleicht. Sie fordern pralle Sonne und lockere Erde, für Schnecken sind sie ein Festmahl und wenn sie nicht zur richtigen Zeit gesetzt werden, dann bleibt die eigentlich hohe majestätische Pflanze mickrig.
Für die Setzlinge im oberen Teil des neugestalteten Karl-Foerster Gartens ist die Pflanzzeit der Rittersporne, Mitte Juli, jedoch gut gewählt. Erst vor wenigen Tagen grub Wolfgang Kautz die Jungpflanzen aus seinem Potsdamer Beeten aus, um ihnen in Erfurt ein neues Zuhause zu geben. „Lanzenträger“, „Augenweide“, „Ballkleid“ oder „Nachtwandler“ heißen die Spornarten, die während der Bundesgartenschau Erfurt 2021 – und auch danach – nahe des Gothaer Platzes blühen sollen. „Das wird dann ein richtiges blaues Besäufnis“, freut sich Kautz.
Rund 100 Pflanzen sind es, die Wolfgang Kautz zusammen mit Tochter Anita in die Erde bringt. Dafür wurde der Garten mit besonderem Substrat von der Deponie der SWE Stadtwirtschaft GmbH aufgefüllt. Doch damit die jungen Sporne gut anwachsen können, bedarf es noch mehr.
Sechs große Kisten Pferdemist – mehr als 200 Kilogramm – hat Wolfgang Kautz mitgebracht. Auch dieser sei, erklärt der Gärtner, eine wahre Spezialität, die er von einem märkischen Reiterhof bekomme. Mehrfach sei der Mist umgesetzt worden, habe seine Schärfe verloren und sei nun bester Dünger. Und in der Tat: Wer nicht weiß, dass das Material einmal von einem Pferd fiel, der kann es nur erahnen. Denn der Dung riecht nicht und sieht eher wir kugelige Erde aus. Für die Güte des Mists spreche auch, so Wolfgang Kautz, die hohe Biodiversität darin. Kleine Käfer und Regenwürmer bevölkern die Kisten. Sie machen erst den Dung und später auch die Erde im Karl-Foerster-Garten locker.
Text und Fotos: Paul-Philipp Braun
HINTERGRUND
Die BUGA kommt mit einem grandiosen Gartenfest nach Hause
Erfurt, die traditionsreiche Landeshauptstadt des Freistaates Thüringen, gilt als Wiege des Gartenbaus in Deutschland. 1865 richtete die Stadt die erste internationale Gartenschau aus und war bis zur Internationalen Gartenbauausstellung 1961 noch mehrfach Gastgeber floraler Leistungsschauen.
Der Erwerbsgartenbau erwies sich als echtes Erfolgsmodell für Erfurt. Die Tradition geht auf Christian Reichart und das 18. Jahrhundert zurück. An diese Tradition knüpft die Bundesgartenschau Erfurt 2021 an. Sie soll zeigen, was Gartenbau heutzutage alles kann, wie er in den Zeiten des Klimawandels funktioniert, wie Grün die Lebensqualität einer modernen Stadt prägt und wird zwei historisch geprägte Standorte zum Blühen bringen. 171 Tage feiert Erfurt 2021 ein grandioses Gartenfest und lädt sich dazu Gäste aus nah und fern ein.
Blütenpracht und Gartenerlebnisse
Herzstück der Gartenschau ist der 36 Hektar große egapark, ein einzigartiges Zeugnis der Gartengestaltung aus der Zeit der DDR-Moderne der 60-er und 70-er Jahre. egapark – das steht für 15.000 blühende, jahreszeitlich wechselnde Quadratmeter, umgeben vom satten Grün der Rasenflächen und schattigen Baumhainen. Themengärten in beeindruckender gärtnerischer Gestaltung schaffen eine dekorativen Rahmen für Rosen, Iris, Lilien, japanische Gartenkunst, Skulpturen oder das gärtnerische Erbe des Staudenpapstes Karl Foerster. Ein El Dorado für jeden Gartenfreund und Blumenfan, ein Erlebnis für alle Sinne. Wer Ideen für den eigenen Garten mitnehmen will, findet diese in großer Zahl. Pünktlich zur BUGA eröffnet das einzigartige Wüsten- und Urwaldhaus Danakil, in dem sich die Besucher auf die spannende Suche nach dem Wasser mit allen Sinnen begeben. Dabei lernen sie Tiere und Pflanzen kennen, die sich auf besondere Weise an den Wassermangel der Wüste oder den Überfluss des Urwaldes angepasst haben.
Besonderer Schatz im Park ist das Deutsche Gartenbaumuseum, das sich einem wesentlichen Punkt der Erfurter Geschichte widmet und zur BUGA Erfurt 2021 ebenfalls äußerlich saniert, mit barrierefreiem Zugang und einer modernen Dauerausstellung präsentiert.
Stadtgeschichte und Gartenkunst
Der Petersberg am Rande der beeindruckenden Erfurter Altstadt ist ein Ort bewegter Stadtgeschichte: er kündet von den frühen menschlichen Ansiedlungen, der Zeit als Klosterstandort, der militärischen Nutzung als Zitadelle, als Firmenstandort in der DDR-Zeit und von den Plänen und verworfenen Ideen nach der gesellschaftlichen Wende bis heute. Mit der Bundesgartenschau kommt neues Leben auf den Berg, wird er Teil der lebhaften Altstadt. Eine der größten barocken Stadtfestungen Europas wird für 171 Tage Veranstaltungsort einer floralen Schau moderner Gartenthemen, bietet Raum für Konzerte, Tanzveranstaltungen und all das, was eine Bundesgartenschau an besonderen Höhepunkten verspricht.
Besondere Schätze werden 2021 der barocken Festung Petersberg einzigartigen Glanz verleihen. Im unteren Teil des Festungsgrabens werden zur Bundesgartenschau Züchtungen und gärtnerische Erfolge aus der langen Tradition des Gartenbaus in Erfurt gezeigt, „Erfurter Gartenschätze“ ist der Name des Ausstellungsbeitrages. Neben Färberpflanzen, wie dem für Erfurt traditionell bekannten Waid, präsentieren sich zur BUGA, ausgewählte Faser- und Färberpflanzen, Arznei- und Gewürzpflanzen, Erfurter Gemüsesorten sowie Blumen in dem ca. 3400 m² großen Bereich. Historische Sorten mit Erfurter Ursprung werden neben modernen Züchtungen gezeigt.
Typisch Erfurt ist auch die Form der Pflanzungen. Bunte Streifen reihen sich aneinander, so wie auf alten Postkarten und Fotos der historischen Gartenschauen. Dieses Muster steht auch für die über Jahrhunderte bekannten Blumenfeldern in unserer Stadt. Sie haben Erfurt den Namen Blumenstadt verliehen.
Zu den im Ausstellungsgelände gezeigten historischen Gartenepochen finden sich in Thüringen noch weitaus mehr Garten- und Landschaftsparks. 25 wurden als BUGA-Außenstandorte ausgewählt und laden zu einer Entdeckungsreise über Erfurt hinaus ein.
Jede BUGA ist besonders, hat andere Schwerpunkte. Erfurt bietet auch noch eine einzigartige historische Altstadt. Ihr mittelalterliches Flair gepaart mit der entspannten, südlich angehauchten Lebensweise der Erfurter lockt Jahr für Jahr mehr Touristen an. 12 Millionen Tagestouristen waren es im vergangenen Jahr. Die BUGA kommt zu Deutschlands schönster Mitte…