Grüne Gärten über der Stadt

Raum ist knapp. In Großstädten entstehen immer ausgeklügeltere Konzepte, um die verfügbaren Flächen bestmöglich zu nutzen - um auf der einen Seite das Klima zu schonen und auf der anderen Seite genug Platz für öffentliche Gebäude, Privatwirtschaft und Wohnungen bereitzustellen. Wenig präsent waren in den vergangenen Jahrzehnten die Dächer. Inzwischen sind sie im Fokus der Stadtplanung – auch Kölns. Hier sehen Politik und Verwaltung eine Chance für öffentlichen Raum, der die Stadt aufwertet und die Erhitzung der Innenstadt abfedert.

"Dachbegrünung ist ein wichtiger Baustein zur Anpassung an den Klimawandel", teilt die Stadt auf Anfrage mit. Durch den fortschreitenden Klimawandel heizen sich die Städte auf, der "Wärmeinseleffekt" nimmt zu. Man rechnet künftig mit längeren Hitzeperioden, begleitet von mehr Wetterextremen wie Starkregen. "Grüne Dächer wirken dabei ausgleichend als Schwamm und als Klimaanlage", heißt es weiter. Die Idee: Regen wird auf dem Dach zurückgehalten, das Wasser kann zeitverzögert verdunsten und erzeugt so eine Kühlung. Die Kanalisation wird entlastet, die Gefahr von Überschwemmungen gemindert.Um diese Effekte zu nutzen, hat die Stadt Ende 2018 ein Förderprogramm für Dachbegrünungen auf den Weg gebracht. Dem "Kölner Stadt-Anzeiger" liegen nun Zahlen vor, die belegen, dass das Programm immer häufiger genutzt wird: 2019 wurden für 85 geförderte Dachbegrü-nungen rund 230 000 Euro zur Verfügung gestellt, 2021 waren es bereits 156 Dächer, gefördert mit mehr als 630 000 Euro. Insgesamt hat das Förderprogramm bislang 503 Dachbegrünungen ermöglicht.

Gegenpol zum Roncalliplatz

Bei Neubauten ist die Dachbegrünung inzwischen die Regel. "In der überwiegenden Anzahl der Bebauungspläne, die Flach- oder flachgeneigte Dächer festsetzen, wird eine Dachbegrünung festgesetzt", heißt es von der Stadt. In der Regel werde aktuell mit Dachbegrünungen, über denen Solaranlagen zulässig sind, geplant. Dachbegrünungen ohne Solaranlagen sind der Sonderfall. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Technischen Universität (TU) in München haben in einem Projekt mögliche Großprojekte zur Begrünung deutscher Dächer ausgemacht und geplant. Auch Gebäude in Köln wurden analysiert, darunter das Römisch-Germanische Museum. "Die bisher ungenutzte Dachfläche soll den öffentlichen Raum erweitern und einen grünen Gegenpol zum belebten Roncalliplatz bilden", heißt es in dem Entwurf. Durch den bestehenden Innenhof im Zentrum des quadratischen Gebäudes gelangt man in der Skizze über eine Wendeltreppe auf die Dachfläche. "Von dort eröffnet sich dem Besucher eine andere Welt: ein weitläufiger, dicht bepflanzter Garten. Begrenzt wird die symmetrisch angelegte Durchwegung durch eine Mauer, welche in beide Richtungen auskragt und so Wind- und Wetterschutz bietet", heißt es weiter. Zum Garten gewandt entstehe ein Raum, der zum Verweilen einlädt; nach außen ein Umgang, der den Ausblick auf die Stadt und ihr Treiben ermöglicht. Von beiden Seiten bleibt: der Blick auf den Dom.

Ungenutztes Potenzial

Ob und wann Projekte wie dieses umgesetzt werden, ist bislang nicht abzusehen. Doch die Entwürfe zeigen das bislang ungenutzte Potenzial städtischer Dächer - als Instrument der Klimawende und als elegante Erweiterung des öffentlichen Raums. Auch mit einem großen Warenhaus der Stadt stand die TU München bereits in Kontakt, um eine mögliche Dachbegrünung zu entwerfen. Entscheidend für eine effektive Dachbegrünung ist das "Substrat", eine Schicht aus Materialien wie Lava oder Bims, die mit Humus vermischt wird und so dem Erhalt und Wachstum der Pflanzen dient. "Je dicker der Substrataufbau ist, desto mehr Wasser kann zurückgehalten werden und entsprechend in Hitzeperioden wieder verdunsten und die stadtklimatische Ausgleichsfunktion erfüllen", teilt die Stadt mit. Je mehr Substrat, desto höher die mögliche Artenvielfalt. Die Stadt prüft inzwischen alle Optionen für Dachbegrünungen - überall, wo Häuser renoviert, gedämmt, geplant oder gebaut werden. Grüne Dächer werden das Stadtbild in den kommenden Jahrzehnten grundlegend verändern. "Durch den steigenden Druck auf den begrenzten innerstädtischen Boden und den wachsenden Flächenverbrauch müssen wir in Zukunft anders über unsere Städte und unsere vorhandenen Ressourcen nachdenken", so das Planungsteam der TU München um Dietrich Fink und Jana Hartmann. Der Erhalt des Bestands rücke dabei genauso in den Fokus wie ein Wachstum der Städte nach "innen". Es werde eine zentrale Aufgabe der nächsten Jahrzehnte sein, urbanes Wachstum mit der Erhaltung von bestehenden Bauten zu verbinden. "Der Raum über den Dächern bietet dabei ein unterschätztes Potenzial, das es in Zukunft auszuschöpfen gilt." Bislang ist der wissenschaftliche Diskurs den Plänen von Verwaltung und Politik allerdings noch weit voraus.

Autor: Paul Groß

Erschienen  im Kölner Stadtanzeiger: Abdruck rechtefrei erteilt mit freundlicher Genehmigung des Kölner Stadt-Anzeiger vom 01.06.2023

 

Post Sriptum DBG: Die DBG hat schon zur Internationalen Gartenausstellung in Berlin 2017 ein Musterdach auf dem Gelände vorgestellt und in der Halle sowie in an Gebäuden auf dem Kienbergareal große vertikal begrünte Wände vorgestellt.

Hier sind noch ein paar Impressionen u. a. zum heute noch gut funktionierenden Gründach auf dem Besucherzentrum im Kienbergpark/Gärten der Welt. Gemeinsam mit dem Dachbegrünungsunternehmen fairplants-system GmbH, dem Gründach-Systemhersteller ZinCo GmbH und weiteren Kooperationspartnern wurden durch den Deutschen Dachgärtner Verband verschiedene Biodiversitätsmodule installiert: Auf dem 2000 m² großen, leicht geneigten Dach wurde eine herkömmliche Extensivbegrünung (Schutz-, Dränage- und Wasserspeicherlage, 6cm mineralisch geprägtes Substrat, Anspritzbegrünung mit verschiedenen Sedumarten) mit einem Mosaik verschiedener Biodiversitätsmodule ergänzt. Unterschiedliche Wuchshöhen für die ergänzende artenreiche Kräuter- und Gräservegetation bedingten Substrat Anhügelungen bis zu 15 cm. Geachtet wurde auch auf vegetationsfreie Bereiche: Grobkiesbeete stellen wichtige Biotopbereicherungen dar und werden von Insekten und anderen tierischen Dachbewohnern als Versteck, Brut- und Sonnenplätze benutzt. Sandbeete sollen spezielle sandbrütende Insekten anlocken (z.B. Grabwespen, Sandbienen). Lehm dient vielen Insekten und Vögeln als Baumaterial. Und Grobkiesbeete bieten zum Beispiel Spinnen und Käfern Unterschlupf.

Die Dokumentation der Pflanzenentwicklung und das wissenschaftliche Monitoring der Wirksamkeit der verschiedenen Biodiversitätsmodule auf dem IGA Besucherzentrum erfolgen in Zusammenarbeit mit der Technischen Universität Berlin (Institut für Ökologie, Nachwuchsgruppe RuralFutures, Dr. Ina Säumel, Elizabeth Ahner). Dem Deutschen Dachgärtner Verband dient das Biodiversitäts-Gründach in der Zukunft als wichtiges Referenzprojekt, um bei neu ausgeführten Gründach-Projekten für eine stärkere Berücksichtigung der Artenvielfalt zu werben.