Bäume rechnen sich

Die ökologische Leistung von Stadtbäumen
Wie lässt sich die ökologische Leistung von Bäumen im Siedlungsraum bewerten? Um diese Frage ging es bei der Tagung „Bäume in der Stadt“, die im vergangenen Jahr in Nürnberg stattfand. Veranstalter war die Bayerische Akademie für Naturschutz und Landschaftspflege in Kooperation mit dem BUND Naturschutz in Bayern e.V.
Vor allem ging es darum, wie Kühlung, Feinstaubfilterung und andere Leistungen beziffert und in Wert gesetzt werden könnten, um eine entsprechende Wertschätzung in der Bevölkerung, Verwaltung und Politik zu erreichen. Nach Meinung von Richard Mergner, Vorsitzender vom Bund Naturschutz in Bayern, müssen Umweltverbände, die Gesellschaft und der Bund alle gemeinsam daran arbeiten, mehr Grün in die Städte und in die Gemeinden zu bekommen. Bei Bauvorhaben ziehen Bäume meist den Kürzeren. Merger stellte die Frage, wie man mit der Bevölkerung in Aktion kommt. Der Gedanke, dass alte Bäume die gleiche Leistung von Klimaanlagen bringen, ohne dabei Strom zu benötigen, muss der Bevölkerung noch stärker klar werden.
Eine Umfrage von 2022 des Bunds Naturschutz in den 15 größten bayerischen Städten ergab, dass dort in den vergangenen zehn Jahren insgesamt 300.000 Bäume gefällt worden sind. Viele Kommunen haben allerdings nur lückenhaftes Zahlenmaterial oder konnten überhaupt keine Aussage machen, daher hat der BN die vorliegenden Daten hochgerechnet.
Eine Trendwende ist nötig, Baumschutzsatzungen können hier eine Hilfe sein. Diese werden aber leider oft als Bevormundung oder als Eingriff in die kommunale Selbstbestimmung angesehen. Daher stehen in 95% der bayerischen Städte die Bäume ohne jeglichen Schutzstatus da. Ortsbildprägende Bäume werden ohne Antrag und Beratung gefällt.
Lobby für Stadtbäume
Angela Burkhardt-Keller und Christopher Busch vom BUND Naturschutz (BN) in Bayern stellten verschiedene Aktionen für den Baumschutz in Bayern vor. Fragen zum Thema Baum werden in München seit 2014 in der Baumschutzsprechstunde, unterstützt von der Stadt München, beantwortet. Die bayernweite Baumschutzhotline ist kostenfrei unter 0800/Stadtbaum zu erreichen. Fragen kommen von interessierten Bürgern, aber auch von Orts- und Kreisgruppen des BN oder Kommunen, wenn zum Beispiel eine Baumschutzsatzung eingeführt werden soll.
Vor der Einführung von Baumschutzsatzungen befürchten viele, dass diese Satzungen nicht effektiv sind oder Bäume gefällt werden, bevor sie die Größe erreichen, mit der sie durch die Satzung geschützt sind. Eine andere Sorge ist, dass Bäume „vorsichtshalber“ vor Inkrafttreten der Satzung gefällt werden. Dies kann der BN nach einer Befragung aller bayerischer Kommunen nicht bestätigen. Die Kommunen, die eine Baumschutzsatzung haben, sind von ihrer Wichtigkeit überzeugt.
„Alternativen zur Fällung gibt es immer, häufig ist es nur eine Frage des Willens diese zu ergreifen und umzusetzen,“ sagte Busch, der zudem als Baumpfleger tätig ist. Oft seien den Bürgern Ansprechpartner nicht klar oder Zuständigkeiten nicht bewusst. Genauso verhält es sich mit dem fehlenden Wissen über den entsprechenden Schutzstatus, falls es ihn gibt, den Zustand der Bäume oder die Frage nach der Verkehrssicherungspflicht. Auch kommen Fragen bei der Baumschutzhotline nach fachgerechten Baumpflegemaßnahmen oder zum Thema Nachbarstreitigkeiten auf.
Baumverluste aufzeigen
Burkhardt-Keller erläuterte, wie sich Baumverluste einfach und günstig im Internet mit Google earth pro darstellen lassen. Anhand der Zeitleiste lässt sich darstellen, wie sich der Baumbestand der Städte in den Jahren verringert hat. Abschließend stellte Busch das „Citizen Science Projekt Eichhörnchen“ vor, bei dem man anhand einer App Eichhörnchen in Bayern kartieren kann. Eichhörnchen kann jeder erkennen, das Tier ist auf Bäume angewiesen und damit ein guter Indikator für den Baumbestand.
Ökosystemleistungen quantifizieren
Prof. Dr. Thomas Rötzer von der TU München berichtete in seinem Vortrag von der „Quantifizierung der Ökosystemleistungen von Stadtbäumen.“ Diese sei abhängig von der Art, Anordnung, Anzahl, Struktur, Vitalität der Bäume und dem Standortklima sowie den Bodenverhältnissen. Die Untersuchung der Baumartenverteilung in 52 mitteleuropäischen Städten erbrachte 376 Baumarten. Dabei machen 15 Arten 63 Prozent des Baumbestandes aus. Am häufigsten ist der Spitz-Ahorn zu finden, sowie die Winter-Linde und die Stiel-Eiche.
Mehr als 8.000 Bäume in über 20 Städten wurden in zehn Jahren aufgenommen. Dabei wurden besonders Winter-Linde, Robinie und die Rosskastanie untersucht. Vermessen wurden Stammdurchmesser, Höhe sowie Kronenraum. Auch die Umgebung wurde mit einbezogen, beispielsweise der Versiegelungsgrad. Die Daten sind Grundlagen für verschiedene Auswertungen und für die Entwicklung des Modells CityTree, das Ökosystemleistungen einzelner Baumarten berechnet. Parameter sind CO2-Konzentration, Boden, Bodenwasserverfügbarkeit, Strahlung, Temperatur, Feuchtigkeit, Wind und Niederschlag. Mit dem Modell können Wachstum, Ökosystemleistungen und Raumbesetzung simuliert werden. So kann zum Beispiel geschätzt werden, wie viel Kohlenstoff ein Baum eines gegebenen Alters speichert oder wie der Kohlenstoff im Baum verteilt ist. Ökosystemleistungen wie der Wasserverbrauch eines Baumes, seine Abflussreduktion oder der Kühlungseffekt durch Beschattung und Verdunstung können bestimmt werden.
Autorin: Angelika Hager /Text mit freundlicher Genehmigung aus der taspo Garten Design, Ausgabe 1/2023
Bildrechte: Prof. Dr. Thomas Rötzer
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