Wie kann urbane Aufforstung gelingen?

Von Céline Lauer

Metropolen sollen grüner werden - auch, um sich an den Klimawandel anzupassen. Doch die Gewächse leiden selbst unter Hitze, Dürre, Enge und Stress. Wie kann die urbane Aufforstung gelingen?

Zu der Jah­res­zeit, in der drau­ßen alles kahl und grau ist, ar­bei­tet Die­ter Fuchs an einer grü­ne­ren Zu­kunft. Seit No­vem­ber lässt er in ganz Bonn Gru­ben aus­bag­gern, min­des­tens zwölf Ku­bik­me­ter groß. So viel Platz brau­chen seine neuen Schütz­lin­ge, um zwi­schen Ab­gasen und As­phalt über­le­ben zu kön­nen. Ein buch­stäb­lich har­tes Pflas­ter, doch Fuchs und sein Team tun viel, damit sie durch­kom­men -​ und damit es in jeder Sai­son mehr wer­den. Fuchs lei­tet das Amt für Stadt­grün, er ist ver­ant­wort­lich für die mehr als 125.000 Bäume Bonns.

Me­tro­po­len müs­sen auf­fors­ten: Das wird in jeder Stadt­ent­wick­lungs­a­genda ge­for­dert, auch auf­grund un­ge­zähl­ter Stu­dien, die die viel­sei­ti­gen Fä­hig­kei­ten ur­ba­ner Ge­hölze nach­wei­sen. Bäume schüt­zen vor Wind und Lärm, fil­tern Fein­staub, Koh­len­di­oxid und Ozon aus der Luft, pro­du­zie­ren Sau­er­stoff, bie­ten Tie­ren Le­bens­raum und Men­schen Le­bens­qua­li­tät. Vor allem im Som­mer, denn "Bäume funk­tio­nie­ren wie na­tür­li­che Kli­ma­an­la­gen", sagt Chris­tian Al­bert, Lei­ter der Ar­beits­gruppe "Um­welt­ana­lyse und -​pla­nung in me­tro­po­li­ta­nen Räu­men" am Geo­gra­phi­schen In­sti­tut der Ruhr-​Uni­ver­si­tät Bo­chum. "Da­mit kön­nen sie uns hel­fen, Städte an den Kli­ma­wan­del an­zu­pas­sen -​ ge­ra­de, wenn es um die Be­kämp­fung von Hitzein­seln geht."

Wie ele­men­tar die­ser Küh­lungs­ef­fekt sein kann, rech­nete ein Team vom In­sti­tut für Glo­bale Ge­sund­heit in Bar­ce­lona jüngst im Jour­nal "The Lan­cet" vor. Die For­scher hat­ten dazu Daten aus 93 eu­ro­päi­schen Groß­städ­ten aus­ge­wer­tet, dar­un­ter sie­ben deut­sche. Er­geb­nis: Würde man den Flä­chen­an­teil die­ser Städ­te, der von Baum­kro­nen be­deckt wird, von der­zeit durch­schnitt­lich 15 auf 30 Pro­zent ver­dop­peln, ließe sich die Zahl der Hit­ze­to­ten um bis zu 40 Pro­zent ver­rin­gern. In Deutsch­land wäre der Ef­fekt in Mün­chen am größ­ten: Dort lie­ßen sich 1,6 vor­zei­tige To­des­fälle pro 100.000 Ein­woh­ner ver­hin­dern. Mehr Bäume in die Städte zu holen wird also letzt­lich le­bens­wich­tig. Bonn ist be­reits eine über­durch­schnitt­lich grüne Stadt, aber: "Etwa 25 Pro­zent un­se­rer Stra­ßen sind baum­los", sagt Amts­lei­ter Fuchs. Wie lässt sich das än­dern, und was gilt es dabei zu be­ach­ten?

Die Er­kennt­nis, dass grüne Städte die ge­sün­de­ren sind, ist nicht eben neu. Schon im 18. Jahr­hun­dert be­gan­nen Pla­ner, In­nen­städte mit Parks aus­zu­stat­ten, damit die Men­schen sich dort er­ho­len konn­ten. 1898 er­fand ein Brite die Gar­ten­stadt als Ge­gen­ent­wurf zur sti­cki­gen, schmut­zi­gen Groß­stadt. Dass sich die­ses Mo­dell nicht durch­ge­setzt hat, ist einem an­de­ren pla­ne­ri­schen Ideal ge­schul­det: der au­to­ge­rech­ten Stadt.

Die Stra­ßen­schluch­ten aus den 50er-​Jah­ren be­schäf­ti­gen nun bun­des­weit die Fach­leu­te. Die­ter Fuchs lei­tet auch den Ar­beits­kreis Stadt­bäume bei der Deut­schen Gar­ten­amts­lei­ter­kon­fe­renz (GAL­K), dem Zu­sam­menschluss der kom­mu­na­len Grün­flä­chen­ver­wal­tun­gen. Daher hat er einen guten Über­blick über die "Baum­kon­zep­te", die über­all er­ar­bei­tet wer­den, in Leip­zig, Bo­chum, Düs­sel­dorf. Die Städte wol­len er­fas­sen, in wie vie­len Stra­ßen kein Ge­hölz steht, und dort auf­fors­ten.

Laien stel­len sich die Lö­sung ein­fach vor: Loch bud­deln, Baum pflan­zen, wach­sen las­sen. Doch so ein­fach geht es nicht. Das größte Pro­blem, schil­dert Fuchs, sei der Platz­man­gel: ob in engen Alt­städ­ten oder im Erd­reich, das vol­ler Lei­tun­gen für Gas, Was­ser und Strom stecke. Hinzu kämen un­ge­hal­tene An­woh­ner, die kein Laub keh­ren woll­ten und pro­tes­tier­ten, so­bald ein Park­platz um­ge­nutzt wer­den soll. Fuchs&a­pos; Fa­zit: "Wenn Sie von 500 Bäu­men, für die es theo­re­tisch Po­ten­zial gäbe, ein Fünf­tel tat­säch­lich un­ter­brin­gen, ist das schon rich­tig gut."

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Der Text mit der Originalüberschrift "Stadt der Bäume" entstammt der WAMS vom 12. Februar – Autorin: Céline Lauer - mit freundlicher Genehmigung der Welt am Sonntag zur Nachveröffentlichung freigegeben.