Ingrid Gock im Interview

Bunt, aber nicht kunterbunt. Harmonisch, aber auch spannend. Traditionell, aber modern. Dipl.-Ing. und Landschafts- und Freiraumplanerin Ingrid Gock aus Lübeck hat einen außergewöhnlichen Dahliengarten auf der Internationalen Gartenschau (IGS) in Wilhelmsburg gestaltet. Antje große Feldhaus hat sie interviewt.

Wie kamen sie zur Internationalen Gartenschau (IGS) in Wilhelmsburg?

Ich habe als Freie Mitarbeiterin 2006 bei der Landesgartenschau in Winsen und 2009 bei der Bundesgartenschau in Schwerin bei der Planung von Bepflanzungen mitgewirkt. Die dortige Zusammenarbeit mit Landschaftsarchitekten wie Mark Krieger oder Breimann & Bruun hat mir die Türen bei der IGS geöffnet.

Was hat sie gereizt, erneut auf der IGS Gärten zu gestalten?

Mein Steckenpferd war schon während des Studiums die Bepflanzungsplanung. Leider bekomme ich als Landschaftsplanerin eher selten öffentliche Aufträge, die konkrete Konzepte für die Bepflanzung von Flächen erfordern. Und auch nur wenige Gartenbesitzer wünschen sich eine Objektplanung, die die lückenlose Ausstattung ihrer Beete mit Pflanzen einschließt. Die Bepflanzungsplanung für Gartenschauen ist die Königsklasse der gestalterischen Bepflanzung. Umso schöner, dass ich neben dem Dahliengarten auch noch die Stauden- und Wechselflorflächen im Bereich 'Welt der Kulturen' planen durfte.

Was war bei der Gestaltung der insgesamt 1400 Quadratmeter großen Pflanzflächen für den Dahliengarten die größte Herausforderung?

Auf dem vorgesehenen Terrain war der Rundweg und die Fußgängerrampe der Monorailbahn vorgegeben. Die Kunst bestand darin, die Besucherströme gut zu verteilen und zudem die drei durch Trassen getrennten Beete zu einem harmonischen Bild zusammenzufügen. Einem Bild, das auch aus der Vogelperspektive stimmig wirkt, denn die Gleise der Monorailbahn verlaufen direkt über das Terrain.

Wie haben Sie diese schwierige Ausgangslage gelöst?

Ich habe das gesamte Terrain in Form einer bunten Dahlienspirale angelegt, in der farbig aufeinander abgestimmte Blütenbänder die Beete über die Wege hinweg harmonisch miteinander verbinden.

Aus der Vogelperspektive ist die bunte Dahlienspirale auf den ersten Blick gut zu erkennen. Beim Lustwandeln wird sich das spiralförmige Bild der Anlage manchen Besucher nicht unbedingt erschließen. Empfinden Sie das als problematisch?

Nein. Denn das Ziel ist, dass die Bepflanzung dem Betrachter gefällt und der Besucher sich wohl fühlt. Und wohl fühlt er sich nur, wenn das Gesamtkonzept stimmig ist. Das Wahrnehmen bzw. Erleben von übergreifend gut ausgeklügelten Höhenstaffelungen und Farbverläufen findet nicht zwangsläufig auf der intellektuellen, sondern auf der emotionalen Ebene statt.

Das Dahliensortiment ist mit seinen dreizehn Klassen unglaublich umfangreich und die Knollenblume aus Südamerika verfügt über eine facettenreiche Familie. Wie ist es Ihnen gelungen, für Ihre Planung die passenden Sorten zusammenzustellen?

Sechs Züchter aus Deutschland und Österreich präsentieren sich auf der IGS mit ihren Dahlien sowie ein Züchter mit Neuheiten. Meine Aufgabe war es, von jedem Betrieb mindestens drei Sorten nach Möglichkeit aus allen dreizehn Dahlien-Klassen in den Beeten unterzubringen. Ich habe die Sorten in der umfangreichen Datenbank der Deutschen Dahliengesellschaft (DDFGG) gesichtet und entsprechend des Pflanzkonzepts nach Klasse, Farbe und Höhe ausgewählt. Diese Auswahl habe ich mit den Sortimenten der Aussteller abgeglichen, so dass die Auswahl auch das Sortiment des jeweiligen Züchters widerspiegelt.

Dahliengärten sind gut besuchte Klassiker auf jeder Gartenschau. Wie wollten Sie die Besucher auf der IGS überraschen?

Mein Ziel war es, nicht nur die Vielfalt der Dahlien solo zu präsentieren, sondern den Besuchern Ideen zu liefern, welche Pflanzen die südamerikanische Knollenblumen noch besser aussehen lassen. Deshalb habe ich nach dem Frühlingsflor Dahlienstreifen und Sommerblumenstreifen Ton-in-Ton im Wechsel gepflanzt. Ihre kerzen-, schleier- oder korbförmigen Blüten tragen mehr Spannung ins Beet, ohne den Dahlien die Schau zu stehlen. In die Dahlienstreifen habe ich Gräser eingestreut, die mit ihren filigranen Blättern und Blüten das kräftige Laub der Dahlien leichter wirken lassen.

Gibt es Trends bei Dahlien?

Ja, es gibt Trends. Aber sehr gegenläufige. Während die ältere Generation bei dem Anblick großblumiger, zweifarbiger Sorten ins Schwärmen geraten, bevorzugen junge Leute Dahlien mit einfachen, kleinen Blüten. Sehr beliebt sind bei ihnen z. B. Orchideendahlien oder die Klasse der einfachen Dahlien.

Haben Sie unter den vielen Dahlien, die sie gesichtet haben, eine persönliche Hitliste?

Schon, aber die beschränkt sich nicht mehr wie vor Jahren auf schlichte Blütenformen. Mittlerweile habe ich Favoriten aus allen Klassen, selbst bei einigen Kaktusdahlien gerate ich ins Schwärmen. Sie müssen nur gut in Szene gesetzt sein.

Der Dahlie haftet bei den Profis nach wie vor ein altbackendes Image an? Spielen Dahlien bei Bepflanzungsplänen in Ihrer Branche überhaupt eine Rolle?

Nach einer langen Durststrecke wird die Dahlie wieder häufiger in Bepflanzungen einbezogen. Großblumige, hohe Sorten sehe ich hier und da als solitäre Leitpflanze zwischen Sommerblumen und Gräsern, kleinblumige Exemplare erobern zur Zeit naturhafte Bepflanzungen, und elegante Sorten der Seerosen-Dahlien dürfen inzwischen sogar zwischen Stauden wie Agastache oder Salbei Platz nehmen.

Was passiert mit ihrem Dahliengarten, wenn die IGS am 13. Oktober 2013 ihre Tore schließt?

Die frostempfindlichen Knollen der Dahlien werden ausgegraben und dem Dahliengarten in Hamburg übergeben, wo jedes Jahr 300.000 Besucher auf 1,5 Hektar 12.000 Dahlien bestaunen. Auf dem Gelände selbst wird das Vereinshaus für eine Kleingartenkolonie gebaut werden. Die Anschlüsse dafür sind schon vorhanden.

Haben Sie einen Buchtipp für Dahlienliebhaber und solche, die es werden wollen?

Ein tolles Buch hat Bettina Verbeek, die Geschäftsführerin der Deutschen Dahlien-, Fuchsien- und Gladiolengesellschaft, geschrieben. Es heißt: Dahlien. Die schönsten Sorten und ihre Pflege und ist im BLV-Verlag erschienen.